Moholy-Nagy, Sibyl (geb. Pietzsch)

1903, Loschwitz, Deutschland - 1971, New York, USA
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Sibyl Moholy-Nagy war eine deutsch-US-amerikanische Dramaturgin, Schauspielerin, Architektur- und Kunsthistorikerin und Hochschullehrerin. Sie war mit dem ungarisch-US-amerikanischen Maler, Fotografen, Typografen, Bühnenbildner und Bauhaus-Lehrer László Moholy-Nagy verheiratet. Zusammen mit ihm emigierite sie nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland über London nach Chicago. Nach dem frühen Tod ihres Ehemanns etablierte sie sich als einflussreiche und wichtige Architekturkritikerin der 1950er und 1960er Jahre.

Sibyl Moholy-Nagy war die jüngste Tochter des Dresdner Architekten Martin Pietzsch, der für den Deutschen Werkbund tätig war, und der Lehrerin Fanny Pietzsch (1866–1945), geborene Clauß. Ihre Mutter stammte aus einer wohlhabenden Textilfabrikanten- und Kaufmannsfamilie aus Chemnitz. Sie genoss eine fundierte Schulbildung und sprach fließend Englisch und Französisch. Ihre Vater studierte Architektur in Dresden und war als selbstständiger Architekt sehr erfolgreich. Sibyl wuchs im sogenannten „Kleinen Künstlerhaus“ auf, dass ihr Vater 1899 nach eigenen Plänen errichten ließ. Stark beeinträchtigt durch den Ersten Weltkrieg beendete sie mit 17 Jahren erfolgreich das Gymnasium. Obwohl ihre Noten mindestens so gut waren wie die ihres Bruders Claus, sollte sie nach dem Willen ihres Vaters keine Universität besuchen. Vor dem Hintergrund des Einwandes ihres Vaters bemühte sie sich, eine Lehre als Buchhändlerin einzuschlagen und damit wenigstens ansatzweise einen Weg in die Literatur zu finden. Während ihrer Lehrjahre in Dresden, Halle und Leipzig erlitt sie mehrere Zusammenbrüche und verbrachte mehrere Monate in Sanatorien. 1923 brach sie schließlich ihre Ausbildung zur Buchhändlerin.

1924 nahm sie Schauspielunterricht bei Lily Kann und später auch bei Erich Ponto. Nach einem ersten Engagement im schlesischen Sagan wechselte sie von der Provinz nach Berlin, wo sie unter dem Künstlernamen Sibyl Peach als Schauspielerin und Drehbuchautorin arbeitete. Zwischen 1926 und 1929 trat sie in einigen Theaterstücken und Filmen auf. 1929 heiratete sie Carl Dreyfuss (1898–1969), den  aus einer wohlhabenden jüdischen Familie stammte und  das ererbte Familienunternehmen führte. Nach einer Anstellung als Lektorin beim Verlag Rütten & Loening begann Sibyl 1931 als Dramaturgieassistentin am Staatstheater Darmstadt. Nach einer anfänglichen Zufriedenheit merkte sie allerdings, dass auch diese berufliche Situation nicht von Dauer sein konnte. Auch privat stellten sich Probleme ein. Dreyfuss war aufgrund der Weltwirtschaftskrise in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Darüber hinaus war Dreyfuss auch als Lebemann bekannt und unterhielt diverse Liebesbeziehungen unter anderen mit der Schauspielerin Marianne Hoppe. Von Juli 1931 lebte das Ehepaar getrennt. In der Übergangszeit vom Stumm- zum Tonfilm fand sie eine Anstellung im Tobis-Tonbild-Syndikat als Produktionsassistentin fand. Ihre Aufgabe war es, Drehbücher zu entwickeln. In dieser Position lernte sie László Moholy-Nagy kennen. Im Winter 1931/1932 werden der Bauhaus-Professor, Maler, Designer und Fotograf László Moholy-Nagy und sie ein Paar. Sie heiratete László Moholy-Nagy 1932 in London.

Aufgrund der Repressalien und des erteilten Berufsverbotes der Nationalsozialisten in Deutschland arbeitete ihr Mann ab 1934 in Amsterdam, während sie mit ihrer 1933 geborenen Tochter Hattula in Berlin blieb. Die Familie zog 1935 nach London, wo ein Jahr später ihre zweite Tochter Claudia (1936–1971) geboren wurde. In England schrieb mit Die unvollkommene Frau ihr erstes Buch, eine feministisch orientierte Analyse der Frau in der Gesellschaft. Das deutschsprachige Manuskript wurde nie veröffentlicht. 1937 emigrierte die Familie nach Chicago in die Vereinigten Staaten, wo Moholy‐Nagy im selben Jahr die Architekturschule New Bauhaus gründete, die 1949 Teil des Illinois Institute of Technology wurde und heute als IIT Institute of Design bekannt ist. Dort assistierte Sibyl Moholy-Nagy ihrem Mann. Sie unterstützte seine Tätigkeiten am Institut, beispielsweise organisierte sie die Sommerkurse und unterrichtete gelegentlich sogar selbst. Gleichzeitig oblag ihr die traditionelle Pflicht als Hausfrau und Mutter. Sie thematisierte diese Doppelbelastung in ihren Tagebüchern, die ihre eigenen Träume und Vorstellungen in den Hintergrund rückten.

Nach dem Tod ihres Mannes im November 1946 infolge einer Leukämieerkrankung musste sie ihre Familie ernähren und beschloss, eine Laufbahn als Architekturhistorikerin einzuschlagen. Sie profilierte sich durch eine Vielzahl an publizierten Fachartikeln und Büchern. Sie profitierte dabei nicht nur von der Erfahrung und dem Wissen ihres Vaters, sondern auch von ihren Kontakten zu Walter Gropius und Sigfried Giedion, die sie beide über ihren Mann persönlich kennengelernt hatte. 1947 erhielt sie dann eine Stelle als Dozentin am Institute of Design in Chicago. Es folgte eine einjährige Lehrtätigkeit an der Bradley University in Peoria. Im Jahr 1949 zog sie nach Kalifornien, wo sie an der Rudolph Schaeffer School of Design in San Francisco und der University of California in Berkeley lehrte. Mit der Publikation der Biografie ihres verstorbenen Mannes Moholy-Nagy begann 1951 eine Karriere als Professorin für Architekturgeschichte am Pratt Institute in New York, wo sie den Lehrstuhl für Architekturgeschichte und Materialkunde innehielt.

Neben ihrer Lehrtätigkeit betrieb Moholy-Nagy Feldstudien, wo sie unter anderem die Spuren der Einwanderer in Nordamerika und ihre aus ihren Heimatländern importierten Bauweisen und ihre Weiterentwicklung in den Vereinigten Staaten untersuchte. Für ihre Arbeiten zur traditionellen Architektur wurde sie 1953 das Arnold-Brunner-Stipendium der Architectural League of New York. 1969 wurde sie emeritiert. Von da an war sie bis zu ihrem Tod als Gastprofessorin an der Columbia University in New York tätig. Sie starb am 8. Januar 1971 im Alter von 67 Jahren in einem New Yorker Krankenhaus.

Die Forschungseinrichtung Archives of American Art des Smithsonian Institution besitzt eine Sammlung von rund 1500 Objekten auf zehn Mikroform-Rollen – die sogenannten Sibyl and Laszlo Moholy-Nagy papers. Das Museum of Modern Art in New York hält Korrespondenzen zwischen Sibyl Moholy-Nagy und Architekturkritiker Philip Johnson archiviert.

Migrationsweg


Migration aus Migration nach Jahr Grund

London, Grossbritannien

Chicago, USA

1937

Judenverfolgung

Berlin, Deutschland

London, Grossbritannien

1935

Judenverfolgung


Werke

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