Zur Mühlen, Hermynia

1883, Wien, Österreich-Ungarn - 1951, Radlett, Grafschaft Hertfordshire, Großbritannien
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Hermynia Isabelle Maria Zur Mühlen, auch Hermynia zur Mühlen, geborene Hermine Isabelle Maria Folliot de Crenneville (* 12. Dezember 1883 in Wien, Österreich-Ungarn; † 20. März 1951 in Radlett, Grafschaft Hertfordshire, Großbritannien) war eine österreichische Schriftstellerin und Übersetzerin. Hermynia zur Mühlen wurde als Gräfin Hermine Isabelle Maria Folliot de Crenneville in Wien geboren. Sie war die Tochter des Diplomaten Viktor Graf Folliot de Crenneville-Poutet. Die Familie entstammte dem Hochadel der österreichisch-ungarischen Monarchie. Ihre Kindheit und Jugend verbrachte Hermynia im Salzkammergut. Daneben begleitete sie ihren Vater auf ausgedehnte Reisen nach Vorderasien und Afrika. Sie lebte zeitweise in Konstantinopel, Lissabon, Mailand und Florenz und erlernte zahlreiche Sprachen. Ihre schulische Bildung erhielt Hermynia zunächst durch Privatunterricht, besuchte dann das Sacre Cœur in Algier und später ein Pensionat für höhere Töchter in Dresden. 1901 legte zur Mühlen das Examen als Volksschullehrerin im oberösterreichischen Ebensee ab. 1905 folgte die Tätigkeit in einer Buchdruckerei. Gegen den ausdrücklichen Willen ihrer Eltern heiratete sie 1908 den deutschbaltischen Großgrundbesitzer Victor von zur Mühlen und folgte ihm auf sein Landgut nach Eigstfer (heute Eistvere, Gemeinde Imavere, Kreis Viljandi) im heutigen Estland. Die Ehe war sehr unglücklich.Laut Patrik von zur Mühlen ließ sich Hermynia 1920 von ihrem Mann scheiden. 1913 lernte sie den jungen Dichter Hans Kaltneker kennen, mit dem sie gemeinsam Gedichte übersetzte.

Im Baltikum war sie entsetzt über die Besitzlosigkeit der einheimischen estnischen und livländischen Landbevölkerung. Ab 1914 litt Hermynia zur Mühlen an Tuberkulose. Mehrere Aufenthalte zur Erholung im Luftkurort Davos zwischen 1914 und 1919 sollten die Krankheit lindern helfen. Dort verfolgte sie mit großer Sympathie die Oktoberrevolution 1917 in Russland. 1919 zog Hermynia zur Mühlen nach Deutschland. Sie schloss sich der kommunistischen Bewegung an und trat der KPD bei. Zusammen mit ihrem Lebensgefährten und späterem Ehemann, dem jüdischstämmigen Übersetzer und Journalisten Stefan Isidor Klein (1889–1960),[1] lebte sie in Frankfurt am Main und Berlin. Sie veröffentlichte zahlreiche Essays in der kommunistischen und sozialdemokratischen Presse, vor allem in Die Rote Fahne und Der Revolutionär. Schriftstellerin und Publizistin 1921 veröffentlichte sie ihre von George Grosz illustrierten proletarischen Märchen Was Peterchens Freunde erzählen im Berliner Malik-Verlag.

Sie ist Autorin von Kurzgeschichten und Romanen, häufig mit antifaschistischem und zeitkritischem Inhalt. Sie verfasste Hörspiele, Kriminalromane, Kinder- und Jugendbücher, sowie weitere Prosa. Teilweise schrieb sie unter den Pseudonymen Franziska Maria Rautenberg, Traugott Lehmann und Franziska Maria Tenberg. Im Laufe ihres Lebens übersetzte sie etwa 150 Romane und Erzählungen aus dem Französischen, Russischen und Englischen ins Deutsche, darunter Werke von Upton Sinclair. Die „rote Gräfin“ wurde eine der bekanntesten kommunistischen Kolumnistinnen und Publizistinnen der Weimarer Republik.
Wegen ihrer im Polizeimilieu spielende Propagandaerzählung Schupomann Karl Müller (1924) wurde Hermynia zur Mühlen in Deutschland wegen Hochverrats angeklagt, allerdings 1926 freigesprochen. 1929 erschien ihr Roman Ende und Anfang, der ein großer literarischer Erfolg wurde. Weitere autobiographisch geprägte Romane wie Das Riesenrad (1932), Reise durch ein Leben (1933) und Schmiede der Zukunft (1933) folgten. 1934 erschien der Roman Unsere Töchter, die Nazinen in Fortsetzung in der Zeitschrift Deutsche Freiheit im autonomen Saargebiet. In einem vielbeachteten Brief an ihren Verleger schreibt sie 1933: „Da ich Ihre Ansicht, das Dritte Reich sei mit Deutschland (...) identisch, nicht teile, kann ich es weder mit meiner Überzeugung noch mit meinem Reinlichkeitsgefühl vereinbaren, dem unwürdigen Beispiel der von Ihnen angeführten vier Herren (Alfred Döblin, René Schickele, Stefan Zweig und Thomas Mann beendeten ihre Mitarbeit an der von den Nationalsozialisten angegriffenen Zeitschrift Sammlung) zu folgen, denen scheinbar mehr daran liegt, in den Zeitungen des Dritten Reiches, in dem sie nicht leben wollen, gedruckt, und von den Buchhändlern verkauft zu werden, als treu zu ihrer Vergangenheit und zu ihren Überzeugungen zu stehen. ...“ Flucht und Exil[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland zog Hermynia zur Mühlen 1933 nach Wien zurück, wo sie Mitglied der Vereinigung sozialistischer Schriftsteller wurde. Das NS-Regime setzte ihre Werke auf die Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums.[2] In Wien warnte sie vor dem Faschismus, distanzierte sich aber zunehmend von der KPD. Sie blieb weiterhin in der linken demokratischen Exilpresse und als Schriftstellerin tätig. Nach dem Anschluss Österreichs im März 1938 flüchteten Hermynia zur Mühlen und Stefan Klein nach Bratislava; dort heirateten sie. Nach der Zerschlagung der Rest-Tschechei (März 1939) emigrierten beide nach England. Auch dort setzte sie ihre schriftstellerische Arbeit fort. Mit „Kleine Geschichten von großen Dichtern“ festigte sie ihren Ruf als eine Prosaistin der Kinder- und Jugendbuchliteratur. Bis 1948 lebte das Paar in London, danach – verarmt und schwer erkrankt – nördlich der britischen Hauptstadt. Bis zu ihrem Tod veröffentlichte Hermynia zur Mühlen weitere Werke auf Deutsch und Englisch sowie Übersetzungen, ohne aber große Aufmerksamkeit zu erfahren. 1945 wurden ihre Werke in Österreich und Deutschland noch einmal im Rahmen der kommunistischen und sozialdemokratischen Literatur rezipiert – mehrere ihrer Bücher wurden im Globus-Verlag der KPÖ wiederaufgelegt –, sie gerieten aber bald in Vergessenheit. Ihr Nachlass gilt als verschollen.[3]

Migrationsweg


Migration aus Migration nach Jahr Grund

Wien, Österreich

Über Bratislava nach Grossbritannien

1938

politische Verfolgung


Werke

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