Sachs, Nelly

1891, Schöneberg, Deutschland - 1970, Stockholm, Schweden
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Nelly Sachs war eine jüdische deutsch-schwedische Schriftstellerin und Lyrikerin. 1966 verlieh das Nobelpreiskomitee ihr – gemeinsam mit Samuel Joseph Agnon – den Nobelpreis für Literatur. Nelly Sachs wuchs in einer großbürgerlichen, assimilierten jüdischen Familie auf. In ihrer frühen Jugendzeit hatte sie den großen Wunsch, Tänzerin zu werden. Einige Jahre später begann dann ihre Leidenschaft für die deutsche Lyrik und das Schreiben von Gedichten. Aufgrund ihrer kränklichen Konstitution wurde sie zunächst drei Jahre von Privatlehrern unterrichtet, bevor sie 1903 in eine Höhere Töchterschule eintrat, wo sie fünf Jahre später ihr Einjähriges, das der Mittleren Reife entspricht, absolvierte. Mit 15 Jahren war sie so fasziniert von Selma Lagerlöfs Debütroman Gösta Berling, dass sie mit der schwedischen Schriftstellerin in einen Briefwechsel eintrat, der über 35 Jahre andauerte.

1921 erschien mit Unterstützung des Schriftstellers Stefan Zweig ihr erster Gedichtband unter dem Titel Legenden und Erzählungen. Bei der Herausgabe ihrer gesammelten Werke nahm Nelly Sachs diese Gedichte später jedoch nicht mit auf. Sie lebte mit ihren Eltern zurückgezogen und nahm wenig am gesellschaftlichen Leben der 1920er Jahre teil. Nach jahrelanger Krebserkrankung starb ihr Vater 1930, woraufhin Nelly Sachs mit ihrer Mutter in ein Mietshaus in Berlin umzog. Der Tod des Vaters war ein einschneidender Verlust für die Tochter. Ende der 1930er Jahre hatten alle Mitglieder der Familie, solange dies noch möglich war, bis auf ihre Cousine Vera Sachs, Berlin verlassen. So lebten Mutter und Tochter möglichst unauffällig und zurückgezogen. Es war, ein Leben unter Bedrohung. 

Nelly Sachs blieb unverheiratet, nachdem eine Liebesbeziehung zu einem geschiedenen Mann vom Vater unterbunden worden war. Dieser Mann wurde auf Grund seiner Affinität zum Widerstand und wegen seiner Liaison mit einer Jüdin verhaftet und gefoltert. Wiederholt wurde Sachs zu Gestapo-Verhören einbestellt. Das unmittelbare Miterleben seines Martyriums war für Nelly Sachs traumatisch. In dieser Zeit begann sie auch, sich mit ihrer jüdischen Herkunft auseinanderzusetzen. Aufgewachsen in einer liberal-jüdischen Familie, suchte sie in den Jahren äußerer Bedrohung und seelischer Not den Zugang zur ursprünglichen Religion ihrer Herkunftsfamilie. Die Buber-Rosenzweig-Übersetzung des 'Jesaia' (1929 erschienen) eröffnete ihr bis dahin unbekannte Dimensionen der Bibel. Sie findet in diesem Text ihre ganze Hoffnung auf das geistige Israel. Von einer Freundin erhielt sie Martin Bubers Legenden und fand darin seelische Hilfe. In späteren Jahren verband sie in ihrem Denken dieses jüdische Gedankengut mit der Ideenwelt auch nicht-jüdischer Mystiker.

Erst spät entschloss sich Nelly Sachs, mit ihrer Mutter aus Deutschland zu fliehen. Nach monatelangen bürokratischen Hemmnissen konnten Nelly Sachs und ihre Mutter im Mai 1940 im letzten Moment mit einem Flugzeug Deutschland Richtung Stockholm verlassen. Lagerlöf war bereits gestorben, bevor Sachs in Schweden eintraf. In Schweden lebten die beiden Frauen unter ärmlichen Verhältnissen in einer Einzimmerwohnung im Süden Stockholms. Nelly Sachs kümmerte sich um ihre alte Mutter und arbeitete zeitweise als Wäscherin, um zum Lebensunterhalt beizutragen. Die schwedische Staatsbürgerschaft erhielt Nelly Sachs allerdings erst im Jahr 1953. Sie begann, Schwedisch zu lernen und moderne schwedische Lyrik ins Deutsche zu übersetzen. Mit dieser Übersetzungsarbeit erreichte ihre eigene sprachliche Ausdruckskraft völlig neue Qualitäten und entwickelte sich weg vom früheren romantischen Stil. An der von ihr in die deutsche Sprache übertragenen Lyrik von Edith Södergran, Karin Boye, Johannes Edfelt, Hjalmar Gullberg, Anders Österling und Pär Lagerkvist reiften ihre Gedichte. 

Die Gedichte von 1943/1944, die später in der Sammlung In den Wohnungen des Todes erscheinen sollten, enthalten Bilder von Schmerz und Tod, sind eine einzige Todesklage für ihr gequältes Volk. Neben den Gedichten entstanden in den 1940er Jahren die zwei Dramen Eli und Abram im Salz. In der Nachkriegszeit schrieb Nelly Sachs weiterhin mit einer hochemotionalen Sprache über das Grauen des Holocaust. In den Wohnungen des Todes (1947) und Sternverdunkelung (1949) wurden zunächst in Ost-Berlin auf Betreiben Johannes R. Bechers veröffentlicht; weder in der Schweiz noch in den westlichen Zonen Deutschlands wurden Gedichte von Nelly Sachs gedruckt. Auch 1949 noch wurde der zweite Gedichtband Sternverdunkelung, in Amsterdam verlegt, von der Kritik zwar gelobt, in der jungen Bundesrepublik jedoch kaum gelesen. In der DDR-Zeitschrift Sinn und Form erschienen einige ihrer Texte. Die finanzielle Misere für Sachs und ihre Mutter dauerte an, so dass sie weiterhin mit Übersetzungen ein Auskommen suchte.

Anfang 1950 starb die Mutter von Nelly Sachs, was sie psychisch schwer traf. In den 1950er Jahren begann sie eine Korrespondenz mit Paul Celan, den sie 1960 auch in Paris besuchte. Mit ihm fühlte sie sich in Art einer Schicksals- und Seelenverwandtschaft verbunden. Gegen Ende des Jahrzehnts, nach Jahren der Isolation, wurde sie mit ihrem Werk schließlich auch im gesamten deutschsprachigen Raum zur Kenntnis genommen. Und niemand weiß weiter und Flucht und Verwandlung erschienen 1957 und 1959 in Hamburg, München und Stuttgart. Das Mysterienspiel Eli wurde 1959 als Hörspiel beim Südwestfunk ausgestrahlt. Nelly Sachs wurde von der jungen Literaturwelt der Bundesrepublik entdeckt

Nelly Sachs wollte nicht zurück nach Deutschland. Auch zeigten sich Anzeichen einer psychischen Krankheit, und nachdem sie 1960 zur Verleihung des Meersburger Droste-Preises das erste Mal seit zwanzig Jahren Deutschland betreten hatte, brach sie nach ihrer Rückkehr nach Schweden zusammen. Insgesamt verbrachte sie drei Jahre in einer Nervenheilanstalt bei Stockholm. 1966 erhielt sie zusammen mit Samuel Joseph Agnon den Literaturnobelpreis. Nachher zog sie sich von der Öffentlichkeit zurück. Ihr psychisches Leiden führte zu einem weiteren Aufenthalt in der Nervenklinik. Sie starb in einem Stockholmer Krankenhaus an einer Krebserkrankung, am Tag von Paul Celans Beerdigung. 

Migrationsweg


Migration aus Migration nach Jahr Grund

Schöneberg, Deutschland

Stockholm, Schweden

1940

Judenverfolgung


Werke

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