Domin, Hilde

1909, Köln, Deutschland - 2006, Heidelberg, Deutschland
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Hilde Domin war eine deutsche Schriftstellerin jüdischen Glaubens. Sie war vor allem als Lyrikerin bekannt und eine bedeutende Vertreterin des ungereimten Gedichts. Nach ihrem Exil in der Dominikanischen Republik, der Domin ihren Künstlernamen entlehnte, lebte sie von 1961 an in Heidelberg. Ihre Eltern waren der aus Düsseldorf stammende jüdische promovierte Rechtsanwalt und Kölner Justizrat Eugen Siegfried Löwenstein (1871–1942) und dessen Frau Paula, geborene Trier. Ihre standesbewussten und wohlhabenden Eltern hatten ihr eine nach damaligen Maßstäben für ein Mädchen gute Bildung angedeihen lassen: Haushaltsführung, Gesangs- und Klavierunterricht. Hilde Domin hatte keine Grundschule besucht, sondern war nach Privatunterricht in das Merlo-Mevissen-Lyzeum in Köln gewechselt, wo sie am 6. März 1929 ihre Reifeprüfung ablegte.

Sie schrieb sich am 23. April 1929 zum ersten Mal an der juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg ein. Im Wintersemester 1929/1930 schrieb sie sich im Institut für Sozial- und Staatswissenschaften (SOSTA) ein. Der Wechsel im Sommersemester an die Universitäten von Köln und Bonn (Zweithörer) war bedingt durch einen Unfall, bis zur endgültigen Genesung sollte sie in der Nähe ihres Elternhauses bleiben. Sie vertiefte dort ihr ökonomisches Wissen bei Vorlesungen in allgemeiner Wirtschaftspolitik und Volkswirtschaft, intensivierte in politischen Diskussionen ihre Tanzstundenfreundschaft mit dem späteren Literaturkritiker und Schriftsteller Hans Mayer und trat der Kölner Gruppe der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands bei. Ihr Studium an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität (der heutigen Humboldt-Universität) begann am 22. Oktober 1930. In Berlin hörte Hilde Domin am 4. Dezember 1930 Hitlers vielzitierte Rede in der Hasenheide. Unmittelbar nach ihrer Rückkehr nach Heidelberg zum Sommersemester 1931 lernte sie den jüdischen Frankfurter Altphilologie- und Archäologiestudenten Erwin Walter Palm kennen. Seiner Italiensehnsucht nachgebend, begannen beide im Herbst 1932 ihr Auslandsstudium in Rom, das nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler zur ersten Exilstation wurde. Beide schrieben sich an der Universität La Sapienza in der „Facoltà di lettere e filosofià“ ein, Hilde Domin belegte Kurse in Kunstgeschichte und unterstützte Erwin Walter Palms Forschungen, indem sie Zeichenaufgaben übernahm und mit Deutschunterricht den Lebensunterhalt bestritt. Im November 1934 schrieb sie sich am renommierten Istituto Superiore di Scienze Sociali e Politiche „Cesare Alfieri“ in Florenz ein, wo sie am 6. November 1935 die „laurea a pieni voti e laude“ mit bestmöglichem Resultat ablegte. Am 30. Oktober 1936 heiratete das Paar im Konservatorenpalast in Rom.

Ab Februar 1934 richtete sich die italienische Politik auch gegen Juden: Neu zugewanderten Juden wurde das Recht abgesprochen, die italienische Staatsbürgerschaft zu erwerben; die Rassengesetze von 1938 machten die Juden zu Staatsfeinden und verlangten deren Ausreise bis zum 12. März 1939. Deshalb floh das Paar 1939 in letzter Minute aus Italien. Über Paris führte sie die Flucht nach Großbritannien, wo sie mit Hilfe der vermögenden Verwandtschaft unterkamen und wie die meisten jüdischen Flüchtlinge im Londoner Stadtteil Hampstead lebten, bevor die Eltern Löwenstein in Minehead, Somerset, ein Häuschen erwarben. Dort unterrichtete Hilde Palm ein halbes Jahr lang als Sprachlehrerin am St. Aldwyn’s College. Angesichts der Kapitulation Frankreichs und des drohenden Blitzkriegs entschlossen sie sich zur Ausreise aus England. Am selben Tag wie Stefan Zweig, dem 26. Juni 1940, verließen sie England und gelangten über Kanada in die Dominikanische Republik. Dort war Hilde Palm Sekretärin: Sie übersetzte und tippte die Arbeiten ihres Mannes, dokumentierte seine Studien fotografisch und unterrichtete von 1948 bis 1952 Deutsch an der Universität Santo Domingo. Schon 1946 begann sie mit ersten schriftstellerischen Tätigkeiten. Der zunehmenden seelischen Vereinsamung und zeitweiligen Entfremdung von ihrem Mann setzte sie ihr Schreiben entgegen, das sie nach dem Tod ihrer Mutter 1951 vor dem Suizid rettete. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland 1954 veröffentlichte sie Gedichte unter dem Pseudonym Domin. Sie nannte sich nach dem Namen der Insel, auf der sie Zuflucht gefunden und ihr Dichterleben begonnen hatte.

1954 kehrte sie nach 22 Jahren Exil in die Bundesrepublik zurück, doch pendelte sie noch sieben Jahre zwischen Spanien und Deutschland hin und her. Erwin Walter Palm trieb seine ibero-amerikanischen Studien voran, Hilde Domin intensivierte ihre schriftstellerische Tätigkeit. In Miraflores de la Sierra machte sie die Bekanntschaft des spanischen Dichters Vicente Aleixandre, der den Kontakt zur Literaturzeitschrift Caracola herstellte, in der Domin ihre Übersetzungen veröffentlichte. 1959 erschien ihr erster Gedichtband Nur eine Rose als Stütze. Neben Gedichten, Erzählungen und ihrem Roman in Montageform Das Zweite Paradies schrieb sie zunehmend Essays und literaturwissenschaftliche Abhandlungen. Sie war auch als Übersetzerin und Herausgeberin tätig. Im Wintersemester 1987/1988 hielt sie als vierte Frau nach Ingeborg Bachmann, Marie Luise Kaschnitz und Christa Wolf die Frankfurter Poetik-Vorlesungen. Hilde Domin war seit 1930 Mitglied der SPD, sah sich aber in späteren Interviews auch als Vordenkerin der Grünen. Domins Nachlass liegt im Deutschen Literaturarchiv Marbach.

Migrationsweg


Migration aus Migration nach Jahr Grund

England

über Kanada in die Dominikanische Republik

1940

Judenverfolgung

Rom, Italien

über Paris nach England

1939

Judenverfolgung

Deutschland

Rom, Italien

1932

Studium im Ausland


Werke

Weitere Informationen